„Amerikanisches Training? Die Jungs werden schreien!“

Lukas Cramer hat viel erlebt. Im Interview spricht der 27-Jährige über André Schubert, das Team, die USA und seinen neuen Posten als Co-Trainer.

 

 

DSC-INSIDE: „Dein Trainer Guerino Capretti hat mal über dich gesagt ‚Wenn der Bulle vorne ins Laufen kommt, dann will ich nicht Innenverteidiger sein.‘ Wie läuft euer Training ab?“

Lukas Cramer: (lacht) „Rino ist ein Heißsporn und er bringt uns von seiner Mentalität her total weiter. Der Mann ist 35 und hat noch immer die beste Einstellung von allen. Das ist ein Vorbild. Als Spieler und als Trainer kann man extrem viel von ihm lernen. Ich mag es im Training gegen ihn zu spielen, weil man an ihm nicht einfach so vorbeikommt. Das ist eher schwer. Er hat halt Erfahrung.“

INSIDE: „War es gut für euch, schon in der Winterpause zu wissen, wohin der Weg vom Trainerteam geht?“

Cramer: „Es war gut, dass es von allen Seiten aus offen und ehrlich kommuniziert worden ist. Aber, die ersten Tage waren schon frustrierend und wir waren traurig, dass sich die beiden für Verl entschieden haben. Natürlich gönnt ihnen jeder die Chance und sie müssen es auch machen. Ich habe gedacht, dass wir in ein kleines Loch fallen. Aber, das ist nicht passiert. Jetzt brauchen wir darüber auch nicht mehr reden. Wir wollen das Beste daraus machen und den beiden noch ein schönes Abschiedsgeschenk präsentieren. Das wäre super und ist eine große Motivation.“

INSIDE: „Wie kam es dazu, dass du zur neuen Saison den spielenden Co-Trainer machen möchtest?“

Cramer: „Ich kann mir nach der aktiven Karriere vorstellen, Trainer zu sein. Ich bin in der Mannschaft akzeptiert und habe auch schon woanders Erfahrungen gesammelt. Es macht Sinn, dass der Trainer ein Sprachrohr auf dem Platz haben möchte. Ich sehe mich da als Hilfe, besonders für die jungen Spieler. Es wären auch andere dafür in Frage gekommen, aber ich kann es mir gut vorstellen.“

INSIDE: „Hat sich seit der Entscheidung dein Blick verändert?““

Cramer: „Nein, bislang nicht. Klar, ich versuche jetzt schon, mir das eine oder andere im Training abzuschauen, um eine Richtung zu haben. Aber in den Spielsituationen ist das kein Thema. Wir coachen uns eh schon gegenseitig und analysieren direkt nach dem Spiel kritisch untereinander.“

INSIDE: „Welches ist dein Lieblingssystem?“

Cramer: „Ich mag das 4-5-1 mit einer Spitze vorne. Es passt jetzt aktuell, weil wir es spielen und ich vorne in vorderster Front bin. Ich mag es, die Bälle zu halten und weiterzuleiten und dann mit zwei schnellen Außen eine Spielfortsetzung zu bekommen. Ich sehe uns mit einem 4-5-1 oder 4-3-3 noch eine Ecke stärker, als wenn wir jetzt ein klassisches 4-4-2 spielen würden.“

INSIDE: „Du hast immer einen intensiven Kontakt zum Gegner.“

Cramer: „Ich bin 1,93 Meter groß, habe ein paar Kilos drauf und mag dieses intensive Spiel einfach. Gerade mit dem Rücken zum Tor bin ich in den letzten Jahren stärker geworden. Es ist nicht einfach, bringt mir aber unglaublich viel Spaß, die Bälle abzulegen. Die Defensive bekommt Sicherheit, wenn sie weiß, dass Offensivleute da sind, die anspielbar sind und den Ball verarbeiten können. Deswegen haben wir auch eine sehr gute Struktur im Spiel und sind als Team erfolgreich. Mario Freise und Nico Schürmann können das ebenso. Das ist ein Teil des Erfolgs.“

INSIDE: „Was macht euch als Team aus?“

Cramer: „Wir sind privat sehr gut miteinander vernetzt und machen auch viel zusammen. Aber man muss es Rino, Maniyel und auch dem Vorstand zu Gute halten, dass sie Charakter vor fußballerischer Qualität verpflichtet haben. Das ist total wichtig. Damit gewinnt eine Mannschaft mehr Spiele, als wenn sie aus 11 

guten Egokickern besteht. Wir haben alle fußballerische Qualität, sind aber ebenso klar im Kopf und haben viel Respekt voreinander. Das leben wir in jedem Training, in jedem Spiel voll aus. Wir sind ein eingeschworener Haufen. Gerade die zahlreichen Verlängerungen für die neue Saison zeigen das. Das macht uns noch stärker, weil wir uns als Team weiterentwickeln können. Daran haben Rino, Maniyel und Frank Sundermeier als Geschäftsführer einen großen Anteil.“

INSIDE: „Was sind die jungen Spieler für Typen?“

Cramer: „Da wir positive Beispiele haben, kann ich nur loben. Die Jungs sind pünktlich, ziehen voll mit und bringen sich super ein. Sie sind extrovertierter, als ich es damals war, wissen aber auch genau, wann sie mal ruhig sein müssen. Wir haben eine Hierarchie, selbst wenn diese flach ist und richtig Glück mit den jungen Leuten. Ich war da anders.“

INSIDE: „Warum?“

Cramer: „Ich war zu lieb und zu ruhig. Unter Manfred Geppert war ich in der U19 des SC Paderborn 07 Kapitän, kam dann in die U23 und mein Trainer war André Schubert. Die Jungs heute sind schon etwas forscher. Früher waren die Hierarchien einfach anders.“

INSIDE: „Das sind natürlich auch Trainertypen.“ 

Cramer: „Absoluter Wahnsinn. Echte Typen. Beide haben mich geprägt. André war in Sachen Trainings- und Fußballqualität der beste Trainer, den ich je hatte. Ich habe bei ihm extrem viel gelernt. Leider waren ihm damals menschliche Komponenten komplett egal, wobei ich ihm zu Gute halten muss, dass er das in beide Richtungen so gemacht hat. Uns gegenüber, aber auch den Leuten über ihm. Er hat jedem seine Meinung klar und deutlich mitgeteilt. Mich und meine Art mochte er leider nicht. Daher hat er auch nicht viel mit mir geredet und mir kaum Chancen gegeben. Ich war auch eingeschüchtert in dem Alter. Das sind Erfahrungen, die man macht, würde mir so heute nicht mehr passieren (lacht). Auch Manfred Geppert war immer ehrlich, aber es war eben eine andere Generation, ein anderer Stil. Heutzutage braucht ein Trainer andere Eigenschaften. Gelernt habe ich aber auch bei ihm viel. Trotzdem waren beide Typen für mich zu dem Zeitpunkt falsch. Ich hätte damals einen Typen wie Rino gebraucht.“ 

INSIDE: „Du bist dann für über drei Jahre in die USA gegangen und hast dort mit einem Stipendium Fußball gespielt.“  

Cramer: „Das waren die besten 3 1/2 -Jahre meines Lebens. Neue Kultur, das Erlernen einer neuen Sprache. Ich habe mich noch einmal komplett neu kennengelernt und bin offener geworden. Das hat beruflich und auch sportlich total geholfen. Ich habe meinen Abschluss in BWL gemacht. Die Menschen, die ich dort getroffen habe, waren super. Leider bin ich nicht mehr so oft da, wie ich es gerne würde.“

INSIDE: „Gab es höherklassige Möglichkeiten?“

Cramer: „Ich hätte in der 2. Liga spielen können, in einem Team in der Nähe meines Wohnorts. Mein damaliger Trainer war der Entdecker von Neven Subotić. Eine große Nummer in den Staaten und ein guter Typ, von dem ich viel profitiert habe. Aber von der 2. Liga konnte man nicht leben. Meine Freundin wohnte auch noch in Deutschland. Ich hatte sie zwar überredet, nach Florida zu kommen, aber letztendlich hat alles nicht so funktioniert. Glücklicherweise bekam ich dann den Job bei Nixdorf und bin wieder zurück nach Deutschland. Aber, es war eine super Zeit.“

INSIDE: „Du konntest sicher auch ein paar Trainingselemente adaptieren, oder?“

Cramer: „Ich habe da durchaus ein paar Sachen kennengelernt. Die Jungs werden schreien, wenn ich erst Trainer bin (lacht). Nein, ich muss es ja selbst auch mitmachen. Aber ernsthaft, ich werde meine Erfahrungen diesbezüglich mal einbringen. Etwas Abwechslung bringt immer auch Spaß.“

INSIDE: „Warum trittst du die Ecken gerne direkt aufs Tor?“

Cramer: (lacht). „Ich habe einen guten linken Fuß. Den rechten habe ich zum Stehen, so wie Podolski. Ich bin für meine Größe leider nicht der Kopfballstärkste. Da ich immer probiere, die Bälle scharf und mit Tempo vor das Tor zu bringen, ist das eine Waffe, gerade wenn Spiele über Standards gehen. Klar, dann fehlt auch eine große Präsenz im Strafraum. Aber nun gut, ich kann die Kugel vorherbringen, daher müssen wir das auch nutzen.“

INSIDE: „Zwölf Tore hast du gemacht. Wie viele sollen es noch werden?“

Cramer: „Schwer zu sagen. Ich denke von Spiel zu Spiel und weiß, dass pro Partie immer ein- bis zwei Chancen warten. Diese Gier muss man einfach haben, auch aus Verantwortung der Mannschaft gegenüber. Ich habe Bock darauf, ein Tor zu machen. Ich denke, da kommen noch welche hinzu.“

INSIDE: „Habt ihr schon mal über eure Rolle in der Liga nachgedacht?“

Cramer: „Gegen Schermbeck und zuletzt gegen Rödinghausen II haben wir vielleicht erstmalig nachgedacht, weil wir nicht nach 15 Minuten 1:0 geführt haben. Das war eine neue Erfahrung, es hätte auch nach hinten losgehen können. Aber nun gut, auch das haben wir jetzt mitgenommen. Da kommen wir wieder gut raus. Niemand kann davon ausgehen, dass wir jedes Spiel zu Null gewinnen. Irgendwann kommt ein Rückschlag. Das war jetzt halt mal der Fall.“

INSIDE: „Spielt das Aufstiegsspiel gegen Kaan-Marienborn noch eine Rolle?“

Cramer: „Nein, daran denken wir nicht mehr. Wir wollen immer alles reinwerfen, um die Partie zu gewinnen. Wir wollen uns und dem Verein natürlich ermöglichen, noch einmal diese Chance zu haben. Den Erfolg zu spüren, aufzusteigen, das ist drin. Das leben wir und dafür arbeiten wir viel und entsprechend hart.“

INSIDE: „Womit beschäftigst du dich sonst noch?“ 

Cramer: „Mit IKEA.“

INSIDE: „Wie bitte?“

Cramer: (lacht). „Ich habe beruflich mit IKEA zu tun, weil wir uns weltweit um deren Kassensoftware kümmern. Daher bin ich auch viel unterwegs unter der Woche. Darüber hinaus werde ich im Sommer meine Freundin heiraten. Aber sie ist nicht fußballbegeistert. Ich koste auch deshalb die Zeit beim Training aus. Aber es gibt trotzdem wichtigere Dinge im Leben als den Fußball.“

INSIDE: „Gib es zu, du verlierst jedes Tippspiel gegen deine Frau, oder?“

Cramer: (lacht) „Ja. Frag mich nicht, warum das so ist. Es ist nicht erklärbar. Aber ja.“ (lacht)

INSIDE: „Wie siehst du die Entwicklung im Gesamtverein. Derzeit gib es eine hohe Durchlässigkeit von der Jugend in den Seniorenbereich.“

Cramer: „Es ist gut, dass die jungen Leute in 

Delbrück eine Chance bekommen. Auch da hat sich viel verändert. Zu meiner Zeit war es kaum möglich, aus der Bezirksligajugend zu kommen und direkt in der Senioren-Verbandsliga zu spielen. Das war selbst beim SC Paderborn 07 schwer, wo die Ausbildung noch eine andere war. Aber es ist gut, dass die Jungs jetzt die Möglichkeiten dazu haben. Patrick Kurzen, Mario Freise, Marius Ferber, Sebastian Walter sind bei uns super Beispiele, dass es gehen kann. Wenn man einmal drin ist, ist es auch egal, woher man kommt. Wir haben gute Jungs in der U19, die schon bei uns trainieren und die wir auch formen werden. Das Potenzial ist da.“ 

INSIDE: „Welchen Eindruck hast du vom neuen Trainerteam Jörg Runge und Martin Diekotto?“

Cramer: „Ich habe einen guten Eindruck. Jörg ist sehr strukturiert, ich denke, dass wir ein gutes Training bekommen werden. Er ist ein ähnlicher Typ wie André Schubert und plant sehr weit im Voraus. Aber er hat auch eine menschliche Komponente und ist sehr sympathisch. Wir werden noch viel Spaß mit beiden haben. Aber daran denke ich erst ab Sommer. Jetzt haben wir noch Aufgaben zu erfüllen.“