„Ich kann dem Trainerteam ja nicht die ganze Arbeit abnehmen.“

Unser Rechtsverteidiger Jean-Pierre Dingerdissen spricht über seinen Start, die Kabinenmusik und er erzählt, warum ihm die USA nicht gefallen hat. Das Interview stammt aus dem letzten Stadionmagazin vor dem aufgrund der Coronapandemie ausgefallenen Heimspiel gegen Nottuln.

DSC-INSIDE: „Jean-Pierre, als du in der letzten Saison zum DSC kamst, warst du die große Unbekannte. Wie hast du deinen Start hier erlebt?“

Jean-Pierre Dingerdissen: „Der VfL Theesen hatte damals einen großen Kader. Beim DSC gab es eine Personalnot, weil Spieler längerfristig ausgefallen sind. Ich kannte Carsten Johanning, der Wind davon bekommen hatte, dass in Theesen zu viele Spieler rumlaufen. Er hat mich gefragt, ob ich mir einen Wechsel vorstellen könnte. Ich habe eine Woche beim DSC trainiert und dann hat Detlev Dammeier zu mir gesagt, wir schauen, wie es sich entwickelt. Es war für beide Seiten ein Projekt, weil ich seit meiner Rückkehr aus den USA nicht sonderlich viel gespielt hatte. Die beiden haben mir eine Chance gegeben und ich habe mich in die Mannschaft reingekämpft. Ich konnte dann gleich das erste Spiel bei meinem Ex-Verein in Theesen spielen und wir haben gewonnen. Danach hat man im Training aber schon gemerkt, dass mir noch etwas fehlt. Ich bin dann über Wochen nicht mehr richtig an das Team herangekommen. Mein Urlaub lag damals auch unglücklich. Ich musste mich erst an das Niveau gewöhnen und mich in das Team hereinkämpfen.“ 

DSC-INSIDE: „Aus heutiger Sicht hast du dich durchgesetzt. Kam es dir sogar entgegen, dass die Erwartungen an dich nicht so hoch waren?“

Dingerdissen: „Ja, aus heutiger Sicht schon. Ich hatte damals mit Christian Volmari und Marco Rüskaup zwei Konkurrenten auf der rechten Seite. Natürlich stiegen die Erwartungen nach und nach. Aber, mir sind auch die Mitspieler und die Trainer sehr entgegengekommen. Fehler wurden verziehen. Das ist generell eine Stärke, die das Team ausmacht. Jeder darf Fehler machen, besonders die jungen Spieler. Das Trainerteam verzeiht Fehler und schenkt trotzdem weiter Vertrauen. Das ist enorm wichtig für die Entwicklung. Gerade, weil wir viele junge Spieler haben.“ 

DSC-INSIDE: „Du sagtest eben USA. Da gibt es ja schon ein paar Spieler aus den Reihen des DSC. Wie lange warst du in Amerika?“

Dingerdissen: „Von August 2017 bis Dezember 2017.“

DSC-INSIDE: „Warum nur so kurz?“

Dingerdissen: „Ich hatte ein Fußballstipendium und war ein Semester da. Es hat mir nicht so gut gefallen.“ 

DSC-INSIDE: „Was war das Problem?“

Dingerdissen: „Mir hat der Ort, in dem ich gelandet bin, nicht gefallen. Ich war in West-Virginia in einer kleinen Stadt mit nur vier- oder fünftausend Einwohnern. Die nächste größere Stadt war Pittsburgh, vier Stunden entfernt. Das Collegeleben war super, aber ich wollte auch mal vom Campus runter und da draußen das Leben sehen. Das gab es aber nicht. Ich habe mich auf dem Campus eher eingesperrt gefühlt und konnte es mir einfach nicht vier Jahre lang dort vorstellen.“ 

DSC-INSIDE: „Du bist ein Großstadttyp?“

Dingerdissen: „Eher. Ich brauche es einfach, wenn ich den ganzen Tag in der Uni war, dass ich mich abends noch mit Freunden in einer Bar oder im Restaurant treffen kann. Am Wochenende gehört ein bisschen Leben dazu.“ 

DSC-INSIDE: „Es ist immer vom großen Zusammenhalt bei euch die Rede. Wie wichtig ist dir das?“

Dingerdissen: „Sehr wichtig. Es ist überragend, dass wir so gut wie keine Hierarchie haben. Alle Spieler sind auf Augenhöhe. Die Älteren beziehungsweise die Spieler, die schon höher gekickt haben, schauen nicht von oben herab auf die Jüngeren herunter. Es gibt keine dicke Luft, keine Arroganz. Jeder hilft dem anderen weiter. Das ist richtig stark und ein sehr gutes Miteinander. Selbst wenn es im Training im Zweikampf mal härter wird, dann ist das schnell geklärt und verziehen. Das sieht man dann auch im Spiel. Jeder haut sich rein. Jeder pusht das Team. Die Spieler, die von der Bank kommen, bringen nochmals neuen Schwung, so wie zum Start 2020 in Emsdetten.“

DSC-INSIDE: „Trotzdem läuft es auswärts besser als zuhause. Warum?“

Dingerdissen: „Gute Frage. Keine Ahnung.“

DSC-INSIDE: „Der Trainer weiß es auch nicht.“

Dingerdissen: „Wir hätten es sonst auch schon abgestellt. Gegen Herford haben wir zuhause gewonnen und hoffen, dass es nun so weitergeht. Einen Grund gibt es nicht. Es wäre top, wenn wir das jetzt 2020 gedreht bekommen und zuhause wieder mehr holen.“ 

DSC-INSIDE: „Ist es in der Kabine Thema, dass ihr oben nochmals angreifen könnt?“

Dingerdissen: „So lange die Mannschaften in der Tabelle so nah zusammen sind, wollen wir den Anschluss halten. Es macht mehr Spaß am Saisonende um etwas zu spielen, als im Mittelfeld zu stehen. Wenn es sonntags noch etwas zu holen gibt, dann ist das ein anderes Gefühl. Wir wollen oben dranbleiben und noch ein paar Teams ärgern.“ 

DSC-INSIDE: „Die Teams von oben kommen laut Spielplan auch erst gegen Saisonende.“

Dingerdissen: „Wir haben noch direkte Duelle. Das wird gut.“

DSC-INSIDE: „Habt ihr ein Saisonziel?“

Dingerdissen: „Wir haben nichts formuliert, sondern schauen von Spiel zu Spiel. Es wirkt dahingesagt, aber es ist ja nun einmal so. Die Tabelle ist eng und wir sind nicht im professionellen Fußball. Wir spielen die Saison jetzt so gut wie möglich durch und gucken, wo wir landen. Es spielen immer viele Faktoren mit rein. Schon allein die Frage, welche Spieler am Wochenende zur Verfügung stehen, wirkt sich aus. Das ist normal.“

DSC-INSIDE: „Welchen Anteil hat das Trainerteam an eurer Entwicklung?“

Dingerdissen: „Einen großen Anteil. Dadurch, dass wir so viele junge Spieler haben, ist es wichtig, wie das Trainerteam agiert. Sie lassen junge Spieler ran, wenn die sich im Training reinhauen. Jeder macht Fehler und darf das auch. Das ist wichtig für das Selbstvertrauen, gerade für die jungen Spieler. Wir lernen daraus. Das ist eine große Qualität der beiden. Alle jungen Spieler haben sich sehr gut entwickelt bislang.“

DSC-INSIDE: „Wie siehst du die Veränderung im Trainerteam im Sommer?“

Dingerdissen: „Der Fußball ist so, dass sich Dinge verändern. Spieler gehen, neue kommen. Carsten 

war jetzt zwei Jahre Co-Trainer. Ich kann verstehen, dass er eine Herausforderung als Cheftrainer sucht. Es ist schade, weil man merkt, dass es gut passt und die Trainer sich ergänzen. Der DSC wird eine gute Lösung finden und wir haben mit Detlev ja auch weiterhin einen überragenden Trainer.“

DSC-INSIDE: „Wolltest du immer schon Fußball spielen?“

Dingerdissen: „Ich ja. Aber mein Vater war ein erfolgreicher Läufer und hat mich eher dort gesehen. Mein damaliger Jugendtrainer im E-Jugendbereich bei Arminia Bielefeld hat mir dann auch nahegelegt, dass ich mal zum Laufen gehen sollte, um meine Beine zu koordinieren. Ich war immer schon relativ groß und hatte schlaksige Beine. Das Leichtathletiktraining fand ich dann aber so langweilig, dass ich es gelassen habe. Von da an bin ich beim Fußball geblieben. Ich brauche einen Ball.“ 

DSC-INSIDE: „Dann sind die Läufe in der Sommer- und Wintervorbereitung eine Qual für dich, oder?“

Dingerdissen: „Ich laufe gerne im Spiel die Linie rauf und runter, aber die Läufe in der Vorbereitung sind so eine Sache für sich (lacht). Ich bin jemand, der relativ schnell eine Grundfitness aufbaut, aber bei diesen Läufen trete ich gerne mal auf die Bremse. Ich bin keiner, der schon vor einer Vorbereitung so viel läuft, dass er am ersten Tag topfit ist. Das war ich nie und das werde ich auch nicht mehr werden. Dafür ist aus meiner Sicht die Vorbereitung da. Ich muss den Trainern ja auch nicht jede Arbeit abnehmen (lacht).“

DSC-INSIDE: „War die Außenbahn immer schon deine Position?“

Dingerdissen: „Nein. Ich habe schon alle Positionen durch. In Bielefeld war ich Rechtsverteidiger, dann aber auch vorne. Von der Arminia bin ich zu Wellensiek gegangen und habe dort im Sturm gespielt. Ich war aber eher derjenige, der ohne Ende gelaufen ist, vor dem Tor habe ich aber nicht so geknipst. Dann bin ich auf die rechte Außenbahn gewandert und von dort aus auf die Innenverteidigerposition. Da fehlten mir die Wege nach vorne und so bin ich wieder hinten rechts gelandet. Damit bin ich zufrieden.“ 

DSC-INSIDE: „Deine Torbilanz ist in Delbrück jetzt auch nicht so der Hammer.“ 

Dingerdissen: „Ein Tor ist ausbaufähig, ja (lacht). Ich treffe komischerweise im Training öfter. Wäre schön, wenn das auch im Spiel etwas besser klappt. Ich muss einfach mehr schießen (lacht).“

DSC-INSIDE: „Hast du Rituale vor dem Spiel?“

Dingerdissen: „Ich muss mich vor dem Spiel immer hinsetzen und einmal den linken und einmal den rechten Oberschenkel lockern. Ob das etwas bringt, weiß ich nicht, das ist für den Kopf, denke ich. Das habe ich irgendwann angefangen und danach geht es raus.“

DSC-INSIDE: „Wer macht bei euch die Musik in der Kabine?“

Dingerdissen: „Jan Paterok.“

DSC-INSIDE: „Und, zufrieden?“

Dingerdissen: „Ja, grundsätzlich schon. Beim Training ist die Auswahl immer ganz gut. Vor einem Spiel könnte es ruhig auch mal etwas aggressiver sein. Ich brauche dann nicht jeden Song, den er auflegt (lacht). Naja, wenn man in die Kabine kommt und Jan ist schon voll bei der Sache und freut sich, dann ist doch alles okay und man bekommt gute Laune (lacht). Die Saison läuft gut, also macht er alles richtig.“ 

DSC-INSIDE: „Was machst du, wenn du mal den Kopf frei bekommen möchtest?“

Dingerdissen: „Es ist gar nicht so leicht, davon wegzukommen. Wir gehen raus, was essen, Karten spielen, aber das Gesprächsthema ist eben meistens der Fußball.“