„Mats Hummels ist auch kein Lautsprecher“

Matthias Riemer spielt seit der A-Jugend beim Delbrücker SC. Mit seinen mittlerweile 28 Jahren gehört er zu den erfahrenen Kräften im Team. Durch den Weggang von Guerino Capretti wird er in der kommenden Saison mehr Verantwortung tragen. Im Interview spricht er darüber und über seine ausbaufähige Torquote.

 

DSC-Inside: „Matthias, im letzten Spiel gegen den SV Spexard bist du mit Gelb-Rot vom Platz geflogen. Was war da los?“

Matthias Riemer (lacht): „Es war halt ein hitziges Derby. Der Schiedsrichter meinte, dass es am Ende die Summe der Fouls ausgemacht hätte. Wobei ich bei der ersten Karte nicht der Schuldige war. Da bin ich geschupst worden. Beim letzten Foul gab es dann Gelb-Rot. Ist halt nicht zu ändern. Es war mein erster in dieser Saison und auch sonst bin ich nicht für Platzverweise bekannt.“

Inside: „Ist das Erfahrung oder Cleverness?“

Riemer: „Die Erfahrung macht viel aus. Zu Beginn meiner Seniorenzeit habe ich noch deutlich mehr Gelbe Karten bekommen, weil ich die Situation falsch eingeschätzt habe und zu spät kam. Mittlerweile weiß ich, wann ich hingehen muss und wann nicht. Natürlich bin ich mit den Jahren erfahrener in den Zweikämpfen geworden und verhalte mich taktisch jetzt besser. Das macht etwas aus.“

Inside: „Was bist du für ein Spielertyp?“

Riemer: „Ich bin ruhig. Klar, wenn es hitzig wird, bin ich emotional, aber an sich nehme ich es ruhig und überlegt. Das hat sich dahin entwickelt.“

Inside: „Du hast früher Fehler im Spiel nicht so leicht abgehakt wie jetzt, oder?“

Riemer: „Ja, definitiv. Ich habe in meiner ersten Westfalenligasaison am sechsten Spieltag einen Ball zu kurz zurück zum Torwart gespielt und so die Niederlage eingeleitet. Das hing mir noch Tage nach und hat mich damals gedanklich sogar bis in den Beruf verfolgt. Dass ich es heute noch weiß, zeigt, wie viel Bedeutung ich da reingelegt habe. Logisch schwankt in solchen Momenten dann die Leistung, was nicht gut ist, weil in einer Partie neue Szenen kommen und das Spiel weitergehen muss. Das ist auch im Berufsleben nicht anders. Fehler passieren. Andrerseits ist es gerade als junger Spieler aber auch normal, dass man sich viel reflektiert und nachdenkt. Daraus wächst letztendlich die Erfahrung im Alter. Und irgendwann merkt man, dass solche Böcke auch Profis passieren.“ (lacht).

Inside: „Was machst du beruflich?“

Riemer: „Ich habe eine Ausbildung als Kaufmann abgeschlossen, dann aber noch einmal umgeschult und eine Ausbildung bei der Polizei begonnen. Ich konnte mir meine Zukunft im kaufmännischen Bereich nicht so vorstellen. Zwei Freunde von mir sind bei der Polizei und meinten, dass ich alles dafür mitbringen würde. Ich habe es versucht und bin dabeigeblieben.“

Inside: „Zweikampferfahrung hast du ja genug.“

Riemer (lacht): „Die Polizei versucht das immer anders zu lösen.“

Inside: „Ihr seid die mit Abstand beste Defensive der Liga. Wie läuft die Absprache zwischen dir und Rino in der Viererkette?“

Riemer: „Er hat das Zepter in der Hand, aber im Laufe der letzten zwei Jahre hat es sich so entwickelt, dass die Abläufe automatisiert sind. Wer geht wann hin? Wer sichert ab? Wir sind beide sehr zweikampfstark und antizipieren gut. Das macht sich nun bemerkbar.“

Inside: „Ihr verteidigt früh in der Hälfte des Gegners. Macht das die Defensivarbeit leichter?“

Riemer: „Schon, weil der Gegner einen längeren Weg zu unserem Tor hat und die Räume früh eng sind. Aber, wenn wir aufbauen und hoch stehen, kann ein Ballverlust natürlich schnell kritisch werden. Wir müssen immer hochkonzentriert sein.“

Inside: „Dann warst du über die drei torlosen Remis in Folge gar nicht unzufrieden, oder?“

Riemer: „Spielen wir zu Null, haben wir zumindest einen Punkt sicher. Aber ich würde dann niemals den Schuldigen in der Offensive suchen. Jeder versucht, seine Aufgabe so gut es geht zu erfüllen. Bei den ersten beiden 0:0 haben die Gegner aus Schermbeck und Rödinghaus extrem tief gestanden. Schermbeck hatte hinten phasenweise eine Sechserkette, wir haben keine Lücken gefunden und die wenigen Chancen nicht gemacht. Gegen YEG Hassel waren wir insgesamt nicht gut und uns ist nicht viel gelungen. Das sah nun gegen Spexard schon wieder deutlich besser aus.“

Inside: „Trotzdem, wie oft stehst du hinten und willst das Tor selbst machen?“

Riemer: (lacht) „Das kommt vor, sicher. Wenn dann mal in den letzten Minuten eine Ecke oder ein Freistoß ist, würde ich gerne mal nach vorne gehen. Aber letztendlich muss ich mich an die taktischen Vorgaben halten und defensiv absichern.“

Inside: „Wie viele Tore hast du schon gemacht?“

Riemer: „Eins. In den letzten sechs Jahren.“

Inside: „Auch das weißt du noch?“

Riemer: „Ja. Das war damals in Lippstadt. Wir lagen 0:2 zurück und ich habe aus 40 Metern einfach mal abgezogen. Der Torwart hat sich verschätzt und das Ding schlug im Tor ein. In der letzten Minute hat Peter Berhorst dann noch einen Elfmeter verwandelt. Punktgewinn. Das bleibt in Erinnerung.“ (lacht)

Inside: „Wie hat die Mannschaft die Entwicklungen rund um Rino und Maniyel aufgenommen?“

Riemer: „Die Situation ist schon speziell und in der Konstellation habe ich es auch noch nicht erlebt. Aber, wir sind in der Winterpause nicht eingebrochen, als der Wechsel der beiden im Sommer bekannt wurde. Rino hat da auch die richtigen Worte gefunden. Ich denke, dass wir das als Team jetzt ebenso abfangen werden. Wir sind gefestigt, eine gute Truppe und können das einordnen. Die Saison war lang genug. Jeder weiß, was er zu tun hat.“

Inside: „Zur neuen Saison wirst du defensiv mehr Verantwortung tragen, oder?“

Riemer: „Das war Teil meiner Gespräche mit dem Vorstand, als es um die neue Saison ging. Ich habe das Alter und die Erfahrung, um die Verantwortung zu übernehmen. Andere Spieler genauso. Schauen wir mal, wie wir ab Sommer aufgestellt sind. Ich bin bereit für die Aufgabe. Sie wird nicht einfach, aber ich werde mich ihr stellen.“

Inside: „Muss man dafür nicht ein Lautsprecher auf dem Platz sein?“

Riemer: „Nein. Ein Mats Hummels ist auch kein Lautsprecher, aber er dirigiert auf seine Art. Es wäre nicht ich, wenn ich jetzt plötzlich einen auf Stefan Effenberg machen würde. Diese Art würde in der heutigen Jugend wohl auch nicht mehr so ankommen. Jüngere Leute haben heutzutage andere Antennen, reagieren etwas empfindlicher, als wir es früher gemacht haben. Das merke ich schon manchmal im Training (schmunzelt). Wenn ich überlege, wie mich damals ein Peter Berhorst zusammengepfiffen hat als ich 19 war, dann ist das jetzt schon anders. Aber es ist in Ordnung, das hat abgehärtet.“

Inside: „Im Sommer kommen wieder einige junge Kräfte aus der U19 nach.“

Riemer: „Das ist sehr positiv. Sie trainieren ja schon regelmäßig bei uns, um sich an das Tempo und die Körperlichkeit zu gewöhnen. Früher war es nicht üblich, dass so viele Spieler für die Erste in Frage kommen oder viele sind direkt nach einem halben Jahr wieder gegangen. In den letzten zwei Jahren haben sich aber einige bei uns durchgesetzt. Patrick Kurzen spielt ab Sommer sogar in der Regionalliga. Dass regelmäßig Nachwuchs nachkommt ist wichtig, weil sie sich noch einmal anders mit dem Verein identifizieren und neuen Schwung reinbringen.“

Inside: „Reicht es am Ende für den Aufstieg?“

Riemer: „Jeder Sonntag ist ein Endspiel. Haltern muss patzen, dafür müssen wir den Druck hochhalten. Heiden wird jetzt unangenehm, als Tabellenvorletzter. Wenn wir das gewinnen und den Schwung mit zum Auswärtsspiel in Vreden nehmen, dann schaffen wir genau das. Gewinnen wir gegen Heiden und Vreden ist alles machbar und Haltern wird nervös. Wir spielen am letzten Spieltag gegeneinander. Dann müssen wir schauen, was passiert. Aber wenn möglich, wollen wir es nun als Meister direkt schaffen, aufzusteigen.“