"Ich sehe das alles ziemlich realistisch"

17 Tore hat Anna Jarina Lummer (l.) bereits für unsere Damen in der Bezirksliga gespielt. Dabei spielt die 20-Jährige erst seit dieser Saison im Sturm. Angebote, in höhere Ligen zu wechseln, hat Lummer ausgeschlagen. 

 DSC-INSIDE: „Anna, warum wolltest du unbedingt Fußball spielen?“

Anna-Jarina Lummer: „Ich habe viele Sportarten ausprobiert, unter andrem auch Tanzen. Da habe ich an Deutschen Meisterschaften teilgenommen. Das war aber sehr zeitaufwändig, so dass ich andere Sportarten ausprobiert habe. Tennis, Handball. Auf dem Gymnasium Schloß Neuhaus bin ich mit dem Schulteam zweimal deutsche Indoor-Soccermeisterin geworden. Letztendlich bin ich durch meinen Bruder zum Fußball gekommen. Oliver hat schon beim DSC gespielt. Ich habe in Elsen angefangen und bin dann zum DSC gewechselt.“

DSC-INSIDE: „Der Sport liegt also in der Familie.“

Lummer: „Ja, auf jeden Fall. Mein Papa ist Sportlehrer.“

DSC-INSIDE: „Deutsche Meisterschaften im Tanzen. Musst du den Sport immer bis zum höchstmöglichen Niveau betreiben?“

Lummer: „Nein, eigentlich nicht. Ich hätte im Fußball zu Vereinen wechseln können, die ein bis zwei Ligen höher spielen. Angebote waren da. Aber das hätte zeitlich mit meinem Studium in den Wirtschaftswissenschaften nicht gepasst. Ich setze da schon Prioritäten. Ehrgeizig bin ich, aber ich bin auch realistisch. Mir ist klar, dass ich im Damenbereich nicht in der Bundesliga spielen könnte und habe mich so angepasst, dass ich beides unter einen Hut bekomme.“

DSC-INSIDE: „Wer hat dir denn die Grenze gesetzt?“

Lummer: „Das ist einfach meine persönliche Einschätzung. Ich denke bis zur Westfalenliga könnte es gehen, aber mehr könnte ich aufgrund der Intensität dann auch nicht leisten. Ich träume nicht davon, in der Frauen-Bundesliga zu spielen.“

DSC-INSIDE: „Das ist jetzt aber nicht gewöhnlich, mit 20 so klare Zielvorgaben in beruflicher Richtung zu haben.“

Lummer: „Das mag sein. Letztendlich ist meine Familie da ein großes Vorbild für mich. Mein Bruder hätte auch höher spielen können, ist jetzt aber in der Kreisliga A, weil ihm der berufliche Weg wichtiger ist. Es ist auch im Frauenfußball so, dass es schwer wird, wenn man nicht schon mit 15 oder 16 auf ganz hohem Niveau spielt. Dazu kommt, dass es im Frauenbereich selbst in der Bundesliga finanziell nicht für das Leben ausreicht. So wie es jetzt ist, ist alles in Ordnung.“

DSC-INSIDE: „Warst du immer schon Stürmerin?“

Lummer: „So richtig bin ich es erst seit dieser Spielzeit. Davor habe ich auf der Sechserposition gespielt. Es gefällt mir aber ganz gut. Ich mache Tore (lacht). Wir haben es umgestellt, weil wir nicht den größten Kader haben, aber auf der Sechs gut besetzt sind. Daher konnte ich vorrücken.“

DSC-INSIDE: „Wie lange hast du gebraucht, um die umzustellen. Die Anforderungen an eine Stürmerin sind anders, als an die Sechs.“

Lummer: „Es war eine extreme Umstellung. Ich habe anfangs versucht, mich fallenzulassen und mir die Bälle abzuholen. Das geht aber nicht, wenn man in vorderster Front spielt. Da musste ich mich anpassen.“

DSC-INSIDE: „Auch das Zweikampfverhalten hat sich sicher verändert, oder?“

Lummer: „Ja. Ich muss lernen, dem Ball mehr nachzugehen und den Gegner anders zu attackieren. Wichtig ist, dass ich immer wieder vorne anlaufe. Früher konnte ich die Gegnerinnen kommen lassen. Aber es geht gut. Ich habe schon 17 Tore gemacht.“

DSC-INSIDE: „Ihr habt 56 Tore gemacht, aber schon 28 kassiert. Hat anfangs die Balance nicht gepasst?“

Lummer: „Anfangs haben wir uns sehr schwer getan und standen uns selbst im Weg. Gerade zum Saisonstart war es schwer reinzukommen. Mit Jessica Müller haben wir eine neue Trainerin bekommen im Sommer. Vom Potenzial her, könnten wir besser stehen, als Tabellenplatz Vier. Die Trainingsleistungen sind dann auch oftmals besser, als das, was wir am Wochenende auf den Platz bringen. Da sind wir in einem Reifeprozess. Viele Spieler sind um die 20, 21 Jahre alt.“

DSC-INSIDE: „In der Rückrunde habt ihr bislang aber erst einmal verloren. Was habt ihr im Winter verändert?“

Lummer: „Die Pause hat uns gut getan. Wir haben dazu ein paar Turniere gespielt und haben viel mit der Mannschaft gemacht. Das war wichtig für uns. Die Vorbereitung lief dann gut. Das hat den Kopf freigemacht.“

DSC-INSIDE: „Welche Ziele habt ihr noch für diese Saison?“

Lummer: „Wir wollen unter den ersten Vier landen und das Torverhältnis aufbessern.“

DSC-INSIDE: „Und ab Sommer?“

Lummer: „Das Ziel ist, dass wir oben angreifen wollen und probieren, auch mal in die Landesliga aufzusteigen. Wir sind im zweiten Jahr weiter und können das dann angehen.“

DSC-INSIDE: „Deine Trainerin ist ein spezieller, direkter Trainertyp. Wie ist die Arbeit mit ihr?“

Lummer: „Sehr gut. Die Trainingseinheiten sind gut geplant. Sie redet viel mit uns und spricht Dinge ab. Das passt gut zusammen. Dazu ist sie kritikfähig, das ist wichtig.“

DSC-INSIDE: „Es gab mal eine Phase, als viele Mädchen und Frauen Fußball spielen wollten. Wie ist es aktuell?“

Lummer: „Der Hype hat nachgelassen. Wir merken es selbst, weil wir aktuell Spielerinnen für die neue Saison suchen. Es fangen nicht mehr so viele Frauen an, zu spielen. Das gilt auch für den Nachwuchs im Mädchenbereich. Das habe ich schon im letzten Jahr gemerkt, als ich die D-Juniorinnen trainiert habe. Es hat nachgelassen. In der Umgebung spielen viele Teams in der Kreisliga als Neunerteams. Das ist schade.“

DSC-INSIDE: „Woran liegt das aus deiner Sicht?“

Lummer: „Die Interessen haben sich verändert. Die Kinder haben nicht mehr nur das eine Hobby, sondern müssen viele Sachen unter einen Hut bringen. Dazu fehlt es oftmals auch am Willen, Dinge einfach mal durchzuziehen und längerfristig zu machen.“

DSC-INSIDE: „Kannst du dir vorstellen, wieder als Trainerin zu arbeiten?“

Lummer: „Ich trainiere samstags mit Sabine Austerschmidt eine Integrativgruppe. Die B-Lizenz habe ich begonnen, konnte die Prüfung aber nicht abschließen, weil ich in der Zeit eine Operation hatte. Erfahrungen habe ich trotzdem viel gesammelt. Taktisch, wie begeistert man ein Team und so weiter. Ganz ausschließen möchte ich es nicht. Es geht aktuell aber aus zeitlichen Gründen nicht.“

DSC-INSIDE: „Hat sich durch deine kurze Trainertätigkeit trotzdem dein Blick auf den Fußball verändert?“

Lummer: „Ich reflektiere meine Aktionen stärker und denke auch über die Übungen im Training nach. Das hat mich vorangebracht, ja.“

DSC-INSIDE: „Ist dein Bruder eigentlich auch Stürmer?“

Lummer: „Ja. Er ist Erster in der Torjägerliste.“

DSC-INSIDE: „Das heißt, es ist schon Druck zuhause?“

Lummer: „Na klar. Wir sprechen am Wochenende darüber, wie das Spiel gelaufen ist, haben aber kein Konkurrenzdenken und auch keine interne Wette. Vielleicht zur neuen Saison (lacht).“